Sehen verstehen

Was ist eine Sehbehinderung?

Nicht nur ältere Menschen sind betroffen – in diesem Artikel geht es darum, was Sehbehinderten hilft und ihnen Flexibilität sowie Lebensfreude bringt

17 Oktober 2021
  • Was ist eine Sehbehinderung?

Viele von uns tragen eine Brille oder Kontaktlinsen und können dank dieser Sehhilfen wieder normal sehen. Doch was, wenn dies nicht ausreicht? Jeder Mensch kann zu jeder Zeit von einer Sehbehinderung betroffen werden. Besonders häufig jedoch treten Sehbehinderungen im Alter auf. Was dahinter stecken kann und wie sowohl vergrößernde Sehhilfen als auch jeder von uns den Betroffenen helfen können, zeigen wir hier.

Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Sehbehinderungen, die zum Teil auf den ersten Blick von Außenstehenden häufig gar nicht erkannt werden. Selbst für nahestehende Angehörige, Arbeitskollegen oder Freunde sind manche aus der Sehbehinderung resultierende Alltagsschwierigkeiten nicht einschätzbar. Viele Kleinigkeiten jedoch können Betroffenen das Leben, ihre Eigenständigkeit und das Miteinander erleichtern.

Jede Sehbehinderung ist sehr individuell und hat die unterschiedlichsten Auswirkungen: Einschränkung des Gesichtsfeldes (Röhrengesichtsfeld), Gesichtsfeldausfälle, Blendempfindlichkeit, Nachtblindheit, Farbfehlsichtigkeit oder generelle starke Einschränkung des Sehvermögens. Selbst bei ähnlichen Diagnosen können die Auswirkungen für die Betroffenen sehr unterschiedlich sein.

Sehfähigkeit nach Sozialrecht: In Deutschland ist diese durch den Grad der Behinderung (GdB) nach Prozenten eingestuft. So wird geregelt, welche Unterstützung in welcher Ausprägung beansprucht werden kann. Wenn beispielsweise eine Person einen bestimmten Gegenstand aus 10 Meter Entfernung erkennen kann, den ein Normalsehender aus 100 Meter bereits sieht, sieht diese Person statt 100 % nur noch 10 % (Visus = Sehschärfe = 0,1).

Entscheidend für die Einstufung der Behinderung ist neben der Sehschärfe auch die Ausdehnung des Gesichtsfeldes. So werden die folgenden drei Sehbehinderungen unterschieden:

  • Körperlich wesentliche Behinderung:   Mit Brille beträgt die Sehschärfe auf dem besseren Auge in der Ferne und Nähe nicht mehr als 30 % (Visus 0,3), oder es liegt eine Störung des Sehvermögens von entsprechendem Schweregrad vor (i. d. R. Gesichtsfeldschäden).
  • Hochgradige Sehbehinderung: Mit Brille beträgt die Sehschärfe auf dem besseren Auge in der Ferne und Nähe nicht mehr als 5 % (Visus 0,05), oder es liegen bei höheren Sehschärfen des besseren Auges weitere Störungen des Sehvermögens vor (i. d. R. Gesichtsfeldeinschränkungen).
  • Blindheit im Sinne des Gesetzes:  Mit Brille beträgt die Sehschärfe auf dem besseren Auge in der Ferne und der Nähe nicht mehr als 2 % (Visus 0,02) bzw. das Sehvermögen ist beispielsweise durch Gesichtsfeldeinschränkungen so stark gestört, dass die dadurch hervorgerufene Beeinträchtigung einer Sehschärfenminderung auf 2 % gleichkommt.

Wie kommt es zu Sehbehinderungen?

Häufig werden Sehbehinderungen durch degenerative Erkrankungen der Netzhaut des Auges hervorgerufen:

  • Retinitis pigmentosa ist die Bezeichnung einer Gruppe von Erbkrankheiten, die eine Zerstörung der Netzhaut (Retina), des sehfähigen Gewebes am Augenhintergrund, zur Folge haben. Diese Krankheit ist trotz intensiver Forschungsarbeit bisher noch unheilbar. Typischerweise treten dabei ein gestörtes Dämmerungssehen und Nachtblindheit, eine Einengung und Ausfälle des Gesichtsfeldes, Störungen des Farb- und Kontrastsehens und Blendempfindlichkeit auf. Der Prozess verläuft schleichend meist über Jahrzehnte hinweg.

  • Bei einer Makula-Degeneration degeneriert (d. h. zerstört sich) die Netzhaut des Patienten. Eine gesicherte Therapie ist bisher bei keiner Form dieser Krankheit möglich. Vergrößernde Sehhilfen, beispielsweise Lupenbrillen oder Fernrohr-Brillen, sind wichtige Hilfsmittel für die Betroffenen. Eine regelmäßige augenärztliche Kontrolle ist in jedem Fall notwendig. Insbesondere ist der Schutz vor UV-Strahlung durch eine gute Sonnenbrille wichtig. Die AMD (altersabhängige Makula-Degeneration) tritt durch die höhere Lebenserwartung, die wir mittlerweise haben, immer häufiger auf. Die genauen Ursachen sind noch nicht eindeutig geklärt. Stoffwechselstörungen in bestimmten Netzhautschichten sowie im Alter zunehmende Ablagerungen in der Gewebsmembran unterhalb der Netzhaut sollen eine Rolle spielen.

  • Das Usher-Syndrom beginnt mit einer angeborenen Hörschädigung (Schwerhörigkeit oder Taubheit), zu der später eine zunehmende Sehbehinderung hinzukommt. Auch hier handelt es sich um eine Retinitis pigmentosa, d. h. Netzhaut-Degeneration.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Menschen mit Sehbehinderung zu helfen

  1. Sehhilfen: Je nach Grad der Sehbehinderung kommen unterschiedliche Sehhilfen zum Einsatz. Sie können vom Augenarzt verordnet und vom Augenoptiker angepasst werden. Wichtig ist in jedem Fall eine individuelle Anpassung der Sehhilfe auf ihren Träger. Nur so kann das Optimum an Sehleistung für jeden einzelnen Betroffenen erzielt werden. Dazu zählt eine möglichst gute Abbildungsqualität bei gleichzeitig größtmöglichem Sehfeld.
  2. Da Sehbehinderungen nicht immer durch Außenstehende gleich erkannt bzw. richtig eingeschätzt werden können und sich sehr unterschiedlich auswirken, gilt es in jedem Fall, zu helfen, wenn man angesprochen wird. Selbst wenn ein Sehbehinderter ohne Blindenstock oder gelbe Armbinde unterwegs ist und nach einer Auskunft wie Busaufschrift, Ampelschaltung oder Platznummer einer Reservierung fragt, hilft eine klare eindeutige Antwort. Seien Sie daher auch nicht verdutzt, wenn eine Passantin mit Blindenstock in der Hand an einem Kiosk eine Zeitschrift kauft oder in der Bahn mit Lupe liest. Sie ist keine Simulantin. So ist es auch möglich, dass sich Betroffene am Tag orientieren können und nur nachts auf den Blindenstock angewiesen sind. Viele Sehbehinderte können sich dank Mobiltraining im Alltag sehr gut bewegen und benötigen nur in bestimmten Fällen Unterstützung.
  3. Kontraste helfen! So ist es sinnvoll, Räume, Möbel oder auch das Eindecken eines Esstisches für Sehbehinderte kontrastreich zu gestalten. Die Orientierung fällt leichter. Gleichzeitig helfen eine gleichmäßige und blendfreie Beleuchtung. Zusätzliche Lampen, die punktuell zum Lesen oder zur Küchenarbeit eingesetzt werden können, sind zusätzlich eine gute Unterstützung. Bevorzugt werden Kaltlichtleuten mit hoher Leuchtstärke. Halogenlampen sind weniger geeignet.
  4. Sehbehinderte können in der Regel sehr schlecht handschriftlich erstellte Notizen entziffern. Sie können helfen, indem Sie Ihre Nachrichten auf weißem Papier mit einem dicken schwarzen Stift in Druckbuchstaben hinterlassen.
  5. Seien Sie beim ersten Kontakt mit einem Sehbehinderten nicht überrascht oder verunsichert, wenn er nicht direkt mit Ihnen Blickkontakt aufnimmt. Beispielsweise kann er durch einen zentralen Sehausfall den Eindruck erwecken, dass er an Ihnen vorbeischaut. Sprechen Sie normal weiter. Irrtümlich werden Sehbehinderte als ignorant und unhöflich bezeichnet. Bedenken Sie allerdings, dass viele Handlungen, die für Sie ganz normal sind, für Sehbehinderte eine hohe Konzentrationsleistung und mitunter Anstrengung bedeuten. Außerdem können viele Sehbehinderte wegen einer erheblich verringerten Sehschärfe Gesichter oder insbesondere Gesten von Mitmenschen gar nicht oder nur aus sehr kurzer Entfernung erkennen. Deshalb kann es sein, dass Sie einen Gruß mitunter nicht erwidert bekommen.

Unser Geschenktipp: Entspannung und Unterhaltung können Hörbücher bieten, ob als CD oder Download aus dem Internet.


Diesen Artikel teilen